Des Menschen Haustiere und Gedanken zum Artenschwund
von m. swiergot (Kommentare: 0)
Wechselhaft, wie es schon den ganzen Winter über ist, hat auch der Februar begonnen. Ich versorge die Vögel mit Körnerfutter und Äpfeln, schleppe weiterhin Füllmaterial zur Eidechsengrube und renne dem Laub hinterher. Einerseits will ich die Haufen noch nicht abräumen, weil sich vielleicht Kerbtiere darin versteckt haben. Andererseits machen mir »Sabine« und ihre vielen kleinen Geschwister das Leben schwer.
Fast täglich treffe ich entweder die Wiesenkatze oder den Feldhasen an. Den Hasen übersehe ich jedes Mal, obwohl ich ja von ihm weiß. Er ist mit seinem graubraunen Kleid in der laubübersäten Wiese einfach hervorragend getarnt. Würde er nicht plötzlich davonstieben, er würde mir gar nicht auffallen. Wie gut, dass ich keine Jägerin bin.
Die Katze übersehe ich nie. Entweder sie liegt maximal entspannt im Gras oder sie sitzt stundenlang an oder sie jagt tatsächlich. Wenn ich auf die Wiese komme, schaut sie mich an, als sei ich eine Bedienstete und betrete ungefragt ihre Ländereien. Deshalb habe ich jetzt einen folgenschweren Entschluss gefasst: Ich werde mir eine Wasserpistole kaufen. Das wäre das erste Mal seit 48 Jahren, dass ich eine Waffe besitze. Doch wie damals bei den Jungs im Kindergarten scheint mir auch heute eine Vergrämung unumgänglich.
Ich möchte es der Wiesenkatze (oder etwaigen Artgenossen) rechtzeitig vor der Brutsaison ein bisschen ungemütlich machen. Denn ich will nicht wieder so viele Federn und durchgekaute Spitzmäuse finden wie letztes Jahr. Vor allem die zerfetzten Kadaver deuten darauf hin, dass es eine Katze war, die gerissen hat. Kein hungriges Wildtier würde seine Beute liegen lassen, bei Spitzmäusen vergeht Katzen außerdem meist der Appetit – wegen ihrer moschusartigen Ausdünstungen.
Wenn man bedenkt, wie groß das Revier einer einzigen Wildkatze ist – bis zu 30 Quadratkilometer – kann man ermessen, was es bedeutet, dass sich rund 15 Millionen Hauskatzen und Streuner in unseren Siedlungsgebieten drängeln. Das Verhältnis von Jäger und Beute ist hier schon lange nicht mehr im Lot, zumal Hauskatzen gefüttert und medizinisch versorgt werden und nur zum Zeitvertreib jagen. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass sie jedes Jahr Tiere im dreistelligen Millionenbereich töten – Vögel, Reptilien und kleine Säuger. Außerdem nehmen sie den wilden Jägern wie Marder, Fuchs oder Sperber die Nahrung weg.
Naturschutzgebiet geht vor die Hunde
Auch der Ärger mit dem Hundekot hat sich nicht erledigt. Es gibt nach wie vor ein, zwei hartnäckige Halter, die die Wiese als ihr persönliches Hundeklo und exklusiven Auslauf betrachten. Dieses unsoziale Verhalten ist es, das Naturschützer bundesweit oft resignieren lässt. Natürlich sind nicht die unverhältnismäßig vielen Hunde und Katzen das Problem – sie können ja nichts dafür, dass sie nunmal da sind.
Es sind die vielen Halter und Besitzerinnen, die sich schnell angegriffen fühlen und die Probleme, die ihre Lieblinge verursachen, einfach ausblenden. Wie oft habe ich schon Halter im angrenzenden Park der FH beobachtet, die ihre Hunde bewusst von der Leine lassen, damit diese die Wildkaninchen durch die Büsche jagen und sich danach auf dem Rasen erleichtern können. Damit hat Herrchen die unangenehmste Angewohnheit seines Hundes – das Scheißen (wie es im Mittelalter noch unumwunden hieß) – einfach outgesourced. Sollen sich doch andere drum kümmern.
Aus diesem Grund droht auch die wertvolle Ochsenheide sprichwörtlich vor die Hunde zu gehen. Sie liegt nur einmal über den Berg, 250 Meter Luftlinie von hier entfernt. Als ich dort kürzlich zwei Halterinnen darauf aufmerksam machte, dass ihre drei Hunde im Naturschutzgebiet buddeln, folgte umgehend der Beißreflex: Die Damen, um einiges älter als ich, beschimpften mich als »grünes Pack«, das doch lieber demonstrieren gehen soll.
Eine der beiden betonte sogar, sie kenne den Förster und habe das mit ihm abgeklärt. Das war sehr lustig, denn mit dem Förster und einem Vertreter der Stadt hatte ich zufällig einen Tag vorher gesprochen. Die beiden Männer standen da gerade an der Ochsenheide, um weitere »Lenkungsmaßnahmen« für Spaziergänger abzusprechen (Infoveranstaltung am 03.06. siehe hier). Dass Hunde auf der geschützten Fläche buddeln oder Stöckchen hinterherjagen, ist eher das Gegenteil dessen, was Stadt und Forstamt erreichen möchten.
»Darf man mal erfahren, was Sie hier eigentlich machen?«
Auch auf der eigenen Wiese hatte ich schon heftige Diskussionen, unter anderem wegen der kleinen Hundeverbotsschilder, die ich aufgestellt habe, aber auch wegen der Brombeerranken, mit denen ich einige Jungpflanzen schütze. Die typische Einstiegsfrage ist: Was ich denn hier so zu schaffen habe, im Originalton: »Darf man mal erfahren, was Sie hier eigentlich machen?« – Ebenfalls beliebt sind Fragen wie: Ob ich mich ausweisen kann, ob ich die Eigentümerin der Wiese bin, ob ich etwas gegen Hunde habe oder warum ich das nicht einfach woanders mache, z. B. auf einer privaten Fläche (wo ich niemanden störe, soll das wohl heißen)?
Gerade drei Tage ist es her, dass eine Frau mich regelrecht verhörte und auch noch versuchte, mich in ein moralisches Dilemma zu bringen: Ob ich es denn besser fände, wenn die Leute mit dem Auto bis an den Wald fahren, um dort mit dem Hund spazieren zu gehen? Ich war so baff, dass ich erst nach dem Gespräch die geschlossene Logik der Argumentation bemerkte. Eine sehr ichbezogene Logik, denn zwischen Hundekacke auf einer Renaturierungsfläche und Blechkarawanen im Wald gibt es ja noch jede Menge Spielraum. Und den zu nutzen liegt ganz allein in der Verantwortung der Besitzerinnen, denn ihr Haustier haben sie zu ihrer persönlichen Freude angeschafft. Warum sollen andere dafür Flächen zur Verfügung stellen oder Wildtiere im Wald deshalb in Stress geraten?
Insofern bin ich sehr froh, dass die meisten Menschen, die hier vorbeigehen, die Renaturierung begrüßen – auch viele Hundehalter. Zusammen erwarten wir quasi den Sommer, um zu sehen, ob meine Maßnahmen schon gefruchtet haben. Einige Spaziergängerinnen sind sehr gut über das große Ganze informiert, und viele vermissen wie ich die Insekten und Singvögel von früher.
Sind wir nicht alle gleichermaßen verantwortlich für das, was um uns herum geschieht? Und werden wir (neben der Natur selbst) nicht alle gleichermaßen die Folgen des Artenschwundes zu spüren bekommen, vor allem aber unsere Kinder und Enkel?
Einige Links zum heiß umstrittenen Thema Katzen und Singvögel
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