Die Themen im Herbst: Winterfütterung, Schottergärten und Laubbläser

von m. swiergot (Kommentare: 0)

Rose im Herbstnebel
Der erste richtige Frosttag scheint dieser Rose gut zu gefallen. Sie wächst von den Nachbarn herüber.

Endlich ist es soweit: Die Flyer sind angekommen, und ich kann die Besenstiele entfernen, an denen über Monate hinweg laminierte Zettel mit Infos über die Wiese hingen. Das sah ja nicht wirklich professionell aus, war aber eine schnelle und günstige Lösung.

Der Druck und die Boxen sind nur durch die vielen Menschen möglich geworden, die beim Crowdfunding für die Wiese gespendet haben. Ebenso ist es mit den Futterstationen für Vögel, die ich letzte Woche aufgehängt habe. Ich bin sehr dankbar, dass ich bisher auf keine Anschaffung verzichten musste, die ich für die Wiese notwendig fand.

Die Futterhäuschen. Lange habe ich mit mir gerungen, ob ich im Winter überhaupt füttern soll, denn die Meinungen dazu gehen selbst in der Fachwelt weit auseinander. Letztlich habe ich mich dafür entschieden, da Vögel offenbar nur dann kommen, wenn sie wirklich etwas brauchen. Steht genügend natürliche Nahrung zur Verfügung, bevorzugen sie diese.

Sie tauchen also vermehrt am Futterhäuschen auf, wenn der Boden gefroren ist, wenn es stark geregnet hat oder Schnee liegt. Auch während der Brutzeit schauen sie gerne vorbei, denn je nach Umfeld treten schnell Versorgungsengpässe auf – gerade dann, wenn eiweißreiche Kost für den Nachwuchs gefragt ist. So braucht ein Meisenpärchen für die Aufzucht seiner Jungen mehrere tausend Insekten, auch wenn die Altvögel selbst mit Samen zurechtkämen.

Vogelfütterung ist kein Naturschutz

Die verschiedenen Vorlieben und wichtige Futtertipps hat der NABU auf einer extra Seite zusammengefasst. Für die Wiese hoffe ich natürlich, dass im Frühjahr keine Zufütterung mehr nötig ist, weil genug Eiweiß in Form von Insekten herumfliegt.

Die Fütterung ist das eine, der Naturschutz das andere. Einige Fachleute – gerade beim NABU – weisen darauf hin, dass unsere Hilfe nur den bekannten und nicht bedrohten Arten zugute kommt. Etwa zehn bis 15 seien es, die sich im Garten am Futterhäuschen zeigen, darunter Amseln, Meisen, Spatzen oder Rotkehlchen. Dies sind einheimische Arten, die gut an unseren Winter angepasst sind. Mit Naturschutz habe das Füttern wenig zu tun, denn da gehe es um den Erhalt der Lebensräume, sodass erst gar kein Nahrungsmangel entsteht. Der NABU sieht deshalb vor allem einen naturpädagogischen Nutzen, weil Kinder die Vögel aus nächster Nähe betrachten können.

Ähnliches schreibt der LBV, der NABU-Partnerverband in Bayern, doch ist er nicht ganz so streng und duldet auch eine Ganzjahrsfütterung unter bestimmten Voraussetzungen. Er zitiert in seinem Positionspapier eine Studie, nach der bei gefütterten Vögeln das Stresslevel geringer und das Immunsystem stabiler ist (Wilcoxen et al. 2015). Auch er merkt allerdings an, dass die Fütterung auf Dauer kein Ersatz für fehlende Lebensräume ist.

Sehr viel strenger ist der BUND Naturschutz, der kritisiert, dass mit dem Füttern die an den Menschen angepassten Arten einen Konkurrenzvorteil haben. Schwache Vögel, die früher die kalten Winter nicht überlebten, würden im Frühjahr den bedrohten Arten, aber auch den Zugvögeln Nahrung und Brutplätze streitig machen. Dass es dabei sehr blutig zugehen kann, zeigen niederländische Studien zur Konkurrenz zwischen aggressiven Kohlmeisen und zurückkehrenden Trauerschnäppern.

So gesehen ist es natürlich fatal, gerade die Kohlmeise über den Winter zu bringen. Ihr Bestand ist nicht bedroht und sie gilt bei uns als zweithäufigster Singvogel nach dem Haussperling. Logischer erscheint es da fast, mit dem Füttern erst im April zu beginnen, den Vögeln also während der Brutzeit unter die Arme zu greifen. Dann allerdings mit Insekten oder Mehlwürmern, denn das ist die Nahrung der Jungvögel, und genau die ist mit dem Insektensterben ja knapp geworden.

Vielleicht plädiert deshalb der Ornithologe Peter Berthold für eine Ganzjahresfütterung. Er ist der Ansicht. dass die Vögel schon genug unter der Zerstörung ihrer Lebensräume und Nahrungsquellen zu leiden haben. An der eigenen Futterstation hat er beobachtet, dass Elternvögel zuerst Fettfutter zu sich nahmen, um sich zu stärken. Erst dann flogen sie auf Nahrungssuche für ihre Kleinen. Dieser Ablauf zeige, dass immer weniger Insekten zur Verfügung stehen und die Suchflüge dadurch anstrengender werden.

Schottergarten? – Gibt's jetzt auch mit Futterhäuschen

Der schwäbische Wissenschaftler ist umstritten, auch weil er kein Blatt vor den Mund nimmt. Da werden die Besitzer von Schottergärten und Englischem Rasen schon mal als Gartenpsychopathen bezeichnet. Bekannt ist es ja schon lange, dass diese Steinwüsten sich so verhalten wie Wüsten es nunmal tun, nämlich lebensfeindlich. Da könnte man auch gleich – dem architektonischen Trend folgend – einen anthrazitfarbenen Rollrasen mit Kunstpflanzen in Beige auslegen.

Aber Abwertung ist natürlich nicht so klug, wenn man Menschen für eine gute Sache, in diesem Fall den Naturschutz gewinnen will. Auch die Gärten des Grauens, die der Biologe Ulf Soltau auf Facebook angelegt hat und die bundesweit Furore machten, tragen nicht gerade zur Freude der geschmähten Besitzerinnen bei. Dennoch hat Soltau damit den Finger in die Wunde gelegt und auf eine Gartenpraxis aufmerksam gemacht, die sowohl dem Artenschwund als auch dem Temperaturanstieg in den Städten Vorschub leistet.

Auch im Umfeld der Bielefelder Wiese sind diese Schottergärten samt vereinsamter Koniferen zu finden. In der Regel können diese Flächen als versiegelt gelten, weil darunter eine Folie oder ein Vlies liegt. In ihren schädlichen Dimensionen für das Ökosystem unterscheiden sie sich damit kaum von einem Supermarktparkplatz. Nicht nur heizen sich die Flächen im Sommer stark auf und bescheren damit auch den Nachbarn und der restlichen Stadt höhere Temperaturen. In vielen Neubaugebieten laufen bei Regen zudem die Keller voll, weil die Kanalisation das Wasser aus diesen Pseudogärten nicht mehr aufnehmen kann – es sollte eigentlich vor Ort versickern.

Dennoch scheint es auch in diesen neuartigen Wohnklötzen eine Sehnsucht nach Nostalgie zu geben. Nicht selten steht im Schotter nämlich ein... Vogelfutterhäuschen. Ja, die Logik ist bestechend: Gartenarbeit ist pfui, Vögel aber sind putzig, und ein bisschen helfen möchte man ja auch. Dass »Dreck«, »Unkraut« und Vögel zusammengehören, ist vielen in der heutigen Zeit nicht mehr klar. Wie so oft macht der Mensch also etwas gut Funktionierendes kaputt, um dann einen mangelhaften Ersatz hinzustellen.

Das Futterhäuschen im Schottergarten – ein moderner Ablassbrief.

Großreinemachen im Herbst – bitte nicht

Es gibt aber noch ein weiteres Ärgernis, das katastrophale Folgen für die heimische Tierwelt hat, und das sind die Laubbläser (und -sauger). Gerade diese Tage sind sie wieder rund um den Bürgerpark im Einsatz, aber auch Privatleute sind schon längst auf den Geschmack gekommen. Mit bis zu 100 Dezibel und 350 Stundenkilometern Windgeschwindigkeit (Tornadostärke!) rücken sie der Natur zu Leibe und machen deren über Jahrtausende bewährte Strategie binnen Stunden zunichte: den Boden mit Laub zu bedecken, um ihn für den Winter vorzubereiten.

Auf Bayrisch würde man über die mit Laubbläsern bewaffneten Baumarkthelden wohl sagen: »Dene hams ins Hirn g'schissn.« Und dieser differenzierten Meinung schließe ich mich gerne an. Denn was passiert alles, wenn Laub unter großem Getöse durch die Gegend geblasen wird?

  • Die Luft wird mit Abgasen, Feinstaub und aufgewirbelten Keimen (z. B. von Hunde- oder Mäusekot – siehe hier auch Hantavirus) belastet
  • Der Boden liegt frei und ist nicht mehr gegen Kahlfröste geschützt
  • Insekten werden herumgewirbelt, aufgesaugt und zerhäckselt
  • Der aufgewirbelte Dreck verstopft die Atemöffnungen ihres Chitinpanzers und sie ersticken
  • Wenn welche überleben, haben sie keine schützende Laubschicht mehr und auch nichts mehr zu essen
  • Es kann über den Winter kein Humus gebildet werden
  • Auch Igel, Kröten, Frösche und Schlangen werden verletzt und getötet. Womöglich flüchten sie sich gerade in Haufen, die noch nicht aufgesaugt sind und oft tagelang herumliegen

Die Schädigung durch diese Maschinen ist so drastisch, dass das Umweltministerium von der Nutzung abrät. Weitere Infos dazu sind z. B. beim BUND Naturschutz und beim Bayerischen Rundfunk zu finden. Doch der Laubbläser ist ja nur eine unter vielen Entgleisungen im modernen Maschinenpark des Hobbygärtners. Auch Motorsensen, Freischneider und Mähroboter dezimieren die Artenvielfalt, verletzen und töten Kleinsäuger und Amphibien – für die Zeitschrift GEO etwa laufen Mährobotor unter »Lautlose Killer«.

Umso wichtiger ist es, wenn trotz der allgemeinen technischen Hochrüstung ein Bewusstsein dafür entsteht, welche Schäden unsere Bequemlichkeit oder unsere Ignoranz verursacht. Ein erster Schritt ist dann, wenn wieder Wiesen wie diese hier entstehen dürfen. Ein zweiter, wenn der Kleingartenverein Sieben Hügel von nebenan auf eigene Rechnung eine Insektenwiese anlegt. Und irgendwann sind vielleicht viele kleine Naturgärten in Bielefeld zu einem stadtüberspannenden Netz gewachsen, um für die Tiere wieder grüne Korridore zu schaffen und ihnen den genetischen Austausch zu ermöglichen.

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