Engagement braucht Pausen

von m. swiergot (Kommentare: 0)

Die Wiese ist zur Häfte gemäht
Mosaikmahd: Heute geht es an den rechten Abschnitt der unteren Wiese.

Über einen Monat ist es nun her, dass ich von der Wiese berichtet habe. Das ist zum Teil dem Wetter geschuldet: Der wochenlange Regen hat mich einfach mürbe gemacht. Immer, wenn ich nach draußen gehen wollte, fing es an zu regnen. Bin ich trotzdem losgefahren, war ich binnen einer Stunde durchnässt. Eine kleine Erkältung kam hinzu. Und was blieb mir auf der nassen Wiese schon zu tun? – Schwarze Walnüsse aufsammeln. Und nochmal: Schwarze Walnüsse aufsammeln. Frustrierend.

Die andere Wahrheit ist: Ich habe mich schlichtweg übernommen. Nach dem Ausfall des Sensenkurses und meiner Mammut-Mähaktion im September ging mir ein bisschen die Luft aus. Mein Ellbogen entzündete sich von der ungewohnten Armhaltung, und meine Kniesehne muckte durch die immer gleiche Fortbewegung beim Sensen auf schräger Fläche. Als dann das Crowdfunding auf Startnext erfolgreich war, legte sich in mir ein Schalter um: »P-A-U-S-E!« rief es laut und vernehmlich in meinem Kopf, und ich wollte die Wiese nur noch von ferne sehen.

AnfängerInnen seien also gewarnt: Wenn man ein brachliegendes Grundstück übernommen hat, fängt die Arbeit sofort an und hört erst einmal nicht mehr auf. Und zwar ganz lange nicht. Sozusagen nie. Es bringt also nichts, jede freie Minute bis zur körperlichen Erschöpfung in sein Projekt zu stecken in der Illusion, die Aufgabe bald bewältigt zu haben. Man sollte sich lieber darauf einstellen, dass das Grundstück einen nun dauerhaft begleiten und Teil des Lebens werden wird – wie ein Kind oder ein Hund zum Beispiel. Dann kann man gleich mit den Pausen anfangen, und das ist um einiges gesünder.

Das Gras fand den wochenlangen Regen toll

Nichtsdestotrotz war ich heute wieder unvernünftig. Als nach Wochen endlich einmal die Sonne herauskam, bin ich sofort zur Wiese gefahren und habe weitergesenst. Denn es ist ja leider so: Das Gras hört nicht auf zu wachsen, wenn ich eine Pause mache, im Gegenteil, der üppige Regen hat ihm richtig Power gegeben. Ich verfluche das übermäßige Mulchen der letzten Jahre, denn es zeigt jetzt – trotz Dürresommer – seine volle Wirkung. Und ich bin ja noch lange nicht fertig: Gerade die Hälfte der rund 30 Ar habe ich nun geschafft, und schon fängt es unten wieder an zu wachsen.

Schon nach wenigen Minuten haben sich heute wieder die Gelenke bemerkbar gemacht, doch ich wollte nicht sofort klein beigeben. Eine Stunde Sensen hatte ich mir vorgenommen, zwei sind daraus geworden. Dank YouTube weiß ich nun, dass man einen Tennis-Ellbogen mit Dehnungsübungen behandeln kann, immerhin. Außerdem erwäge ich einen neuen Sensenbaum zu kaufen, an dem man die Griffe verstellen kann, sodass die Sense besser zu meinen Bedürfnissen passt.

Das wird mich sicher entlasten, aber etwas Entscheidendes fehlt mir trotzdem, und das ist die jahrelange Erfahrung. Ein Sensenkurs macht noch keinen Sommer, das muss ich gerade heute schmerzlich feststellen. Mal schneidet sich das Gras wie Butter, mal überhaupt nicht. Mal erwische ich ganze Horste glatt über dem Boden, mal ducken sie sich unter der Sense weg. Dann wieder wird das Blatt so schnell stumpf, dass ich schon nach zwei Minuten nachwetzen muss. Und das Gemeine daran ist: Ich weiß einfach nicht, warum.

Hätte ich mehr dengeln sollen? Habe ich überhaupt richtig gedengelt? Ist es die falsche Tageszeit und das Gras noch zu nass/ schon zu schlapp? Wie senst man eigentlich am Hang? Stehe ich womöglich falsch zur Wuchsrichtung des Grases? Während ich diese Fragen im Kopf hin- und herwälze, stolpere ich schon über den nächsten Maulwurfshaufen. Verflixt nochmal! Davon gibt es seit dem Regen ungefähr fünf pro Quadratmeter, die ganze Wiese ist übersät von den Bauwerken des subversiven Gesellen.

Maulwurf und Ampfer? – Bloß nicht aufregen

Oder ist es gar eine Gesellin? Beim NABU habe ich gelesen, dass Weibchen ein Revier von bis zu 2000 Quadratmetern unterhalten, Männchen von bis zu 6000. In einer Tiefe bis zu 20 Zentimetern führen von der Wohnhöhle aus viele Jagdgänge quer durch die Wiese, auch einen Notausgang gibt es. All die vielen Haufen hier könnten also von einem einzigen fleißigen Maulwurf stammen. Beachtlich. Beim Sensen sind diese Haufen dennoch sehr lästig. Entweder bleibt die Sense darin stecken oder das Blatt wird durch die Erde stumpf. Also alles wieder von vorn und... wetzen, wetzen, wetzen.

Ich versuche mich nicht aufzuregen. Ich weiß ja: Der Maulwurf ist das Lob der Gärtnerin, er zeigt einen lebendigen Boden mit vielen Kleinstlebewesen an. Er kümmert sich um Engerlinge und anderes unliebsames Getier, er lüftet den Boden und verjagt die Wühlmaus. Wo gespritzt wird oder ständig der Mähroboter fährt, findet er hingegen nichts zu fressen und keine Ruhe. Und ich bin ja nicht alleine: Viele Naturgärtner erzählen, dass sich die Tierwelt bei ihnen drängelt, weil es drumherum so ordentlich und lebensfeindlich zugeht.

Andererseits: Durch die Maulwurfshügel entstehen viele kahle Flächen in der Wiese, auf denen sich – schwupps – nicht etwa hübsche Wildblumen ansiedeln, sondern mit Vorliebe der Stumpfblättrige Ampfer breitmacht. Der wiederum ärgert mit seinen hunderttausenden von Samen sogar den Biolandbau, und auch ich möchte keine Ampferwiese haben.

Andererseits: Ampfer gilt als Zeigerpflanze für nährstoffreiche und verdichtete Böden. Er ist sozusagen dem großen Fahrzeug der Stadt gefolgt. Mit seiner langen Pfahlwurzel lockert er die Erde und holt den Stickstoff aus tiefen Schichten. Geht der Nährstoffreichtum zurück – so liest man von Bio-Gärtnerinnen – verschwindet der Ampfer ganz von selbst. Manchmal kommt vorher noch der Ampferkäfer vorbei, um ihm den Rest zu geben.

Man sieht daran: Nichts in der Natur ist ohne Grund, wir können es oft nur nicht erkennen, weil unser Fokus ein anderer ist. Mal schimpfen wir auf das »Unkraut«, mal auf den mickrigen Ertrag, mal auf die Wühlmäuse, mal auf die Schnecken. Doch eins greift ins andere, und den Tieren auf der Wiese ist der Ampfer wohl reichlich egal. Und der Maulwurf, der wäre bestimmt ganz froh, wenn ich nicht dauernd auf seinem Kopf herumtrampeln würde. Für den bedeutet »Gutes tun« etwas ganz anderes...

Lektion 3 also in Sachen Extensivierung: Geduld und Gelassenheit.

 

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