Geordneter Rückzug von der Wiese
von m. swiergot (Kommentare: 0)
Viele Monate habe ich jetzt nicht mehr über die Wiese geschrieben, und das hatte vor allem damit zu tun, dass sich die Arbeiten wiederholten: Sensen, Heu wenden, Regenfolie über den Heureiter ziehen, Regenfolie wieder abnehmen, Brombeeren zurückschneiden, Hundekot entfernen, Ackerwinde zwischen den Rosen entfernen, Laub rechen. Wie berichtet, bewirtschafte ich seit Mai 2020 außerdem eine Fläche bei der Bielefelder Solawi in Theesen. Der Wildblumen-Anbau dort und die Wiese hier sind doch zwei sehr große Projekte, die mir abends keine Energie mehr ließen, den Blog zu pflegen.
Leider gab es auch nichts neues Erfreuliches, was ich hätte berichten können. Im weiteren Verlauf des Sommers und auch im Herbst habe ich (außer den Ochsenaugen) keine Schmetterlinge mehr entdeckt. Das Gezirpe der Heuschrecken schien mir ähnlich wie 2019 zu sein, der Besatz nicht auffällig gewachsen, eher im Gegenteil: Gegenüber 2018 und 2019 war es ein feuchter Sommer, und das merkt man bei den wärmeliebenden Heuschrecken sofort. Ein zweiter Grasfrosch hüpfte mir beim Sensen über den Weg, immerhin. Und in den gemähten Brennesseln vergnügten sich unzählige Marienkäfer. Aber sonst...?
Das mag auch daran liegen, dass meine Aussaaten und Jungpflanzen kaum erfolgreich waren und somit nicht das Nahrungsangebot vorhanden war, das ich mir erhofft hatte. Außer den Margeriten und den Glockenblumen haben sich keine weitere Blumen durchgesetzt, das hat mich doch sehr enttäuscht. Die Wiesenflockenblumen sind wieder verschwunden, und ebenso der Wiesensalbei. Ich habe den Verdacht, dass es auf der Wiese zu feucht ist, denn ab Oktober verschwindet die Sonne schon um 13 Uhr hinter dem Teutoburger Wald. Seitdem ist das Gras quasi nicht mehr trocken.
Keine Abnehmer für das Heu wegen Hundekot
Vielleicht habe ich aber auch zu spät gemäht. Da ich ja immer nur sensen kann, wenn es trocken ist und wenn ich Zeit und Kraft habe, blieb das Gras sehr lange stehen. Regen und Wind haben es dann an vielen Stellen umgelegt, und so entstanden mitten im Sommer dunkle, feuchte Bereiche. Auch die Wicke hat viel überwachsen und unter sich erstickt. Obwohl sie für die Bienen ein Leckerbissen ist, tut sie den anderen Wildblumen nicht so gut. Noch jetzt bin ich übrigens mit dem zweiten Sensendurchgang beschäftigt, denn auch im Spätherbst hat mich der Regen immer wieder davon abgehalten, auf der Wiese herumzustapfen.
Ein Problem wurde im Sommer auch das Heu. Entgegen meiner Hoffnung habe ich kaum AbnehmerInnen gefunden bzw. kamen diese nicht wie zugesagt, um das Heu abzuholen. Die Heureiter waren also voll, obwohl ich beständig neues Heu produzierte, das überschüssige Heu blieb damit auf der Wiese und regnete ein. Zwar meldeten sich einige Kaninchen-Halterinnen über Ebay Kleinanzeigen, dies konnte ich aber wiederum nicht mit meiner Haltung vereinbaren, originär wildlebenden Tieren nicht die Gefangenschaft in unseren Wohnungen oder Gärten zuzumuten.
Im Grunde hätte ich nur die Abgabe an ein Tierschutz-Projekt vertreten können, doch hier machte mir wieder der Hundekot einen Strich durch die Rechnung. Niemand will »verseuchtes Heu« haben, das die Tiere krank macht. Deshalb ist es auch nicht möglich, einen Landwirt für die Mahd zu gewinnen. Unabhängig davon ist die Fläche dafür sowieso zu klein und zu unwegsam. Folglich holt der Umweltbetrieb nach wie vor das Heu ab, kann es aber nicht zur Biogasanlage fahren, sondern muss es deponieren, weil die Halme zu lang sind. Eine recht verquere Situation.
Viel Arbeit, aber keine Handhabe gegen Störer
Etwas surreal wurde für mich auch die Tatsache, dass ich zwar Patin der Wiese bin, letztlich aber keine durchsetzbaren Rechte habe. Nach wie vor und immer wieder neu trete ich in Hundekacke oder fasse gar hinein. Zwar weiß ich, welche Halter die Wiese nach wie vor als ihre private Hundetoilette betrachten, aber was würde ein Anruf beim Ordnungsamt bringen? Man sieht in den Parks und auf der Ochsenheide, aber auch in privaten Vorgärten, dass solche Menschen ihre antisoziale Linie weiterverfolgen, wenn niemand hinsieht.
Befremdet war ich dieses Jahr auch von einem weiteren Vorfall, der keine Konsequenzen hatte. Nachbarn hatten ihre Katze auf der Wiese begraben, obwohl das in Bielefeld außerhalb des eigenen Gartens nicht zulässig ist. Nur: Im eigenen Garten war das gar nicht möglich, da dort nur Schotter liegt... Überflüssig zu erwähnen, dass diese und eine weitere Katze aus demselben Haus mit Vorliebe auf der Wiese jag(t)en. Und das ist nichts Ungewöhnliches: Immer wieder klagen NaturfreundInnen, dass fremde Katzen gerade ihre wilden Gärten aufsuchen, weil es dort viel spannender ist. Vom Anblick der toten Vögel bleibt der Besitzer des Schottergartens (und der Mieze) damit verschont.
Ein kleines Sahnehäubchen gab es dann noch im Herbst, als wieder jede Menge Menschen den Walnussbaum mit Stöcken bewarfen anstatt zu warten, bis die Früchte von alleine fallen. Dieses Jahr habe ich wirklich keine einzige Nuss abbekommen. Dafür war dann das Gras auf der gesamten Fläche am Baum heruntergetrampelt, sodass es kaum noch zu sensen war. »Danke für nichts« – diesen Spruch habe ich 2020 im Internet gelernt.
Doch das alles ist nicht der Grund dafür, dass ich die Arbeit auf der Wiese aufgebe, auch wenn der Frust natürlich ein gewisses Hintergrundrauschen verursacht. Dagegen stehen die vielen schönen Begegnungen und Gespräche an der Wiese, die zeigen, dass auch andere Menschen die Dringlichkeit von Natur-und Umweltschutz vor der eigenen Haustüre erkannt haben.
Der Grund ist die körperliche Doppelbelastung durch meine Neugründung in Theesen, die ebenfalls viel Einsatz verlangt. Diese Wildblumen-Fläche ist zwar »kultiviert« und mit einer wilden Wiese nicht zu vergleichen, es ist also eine andere Art von Naturschutz. Aber sie ist geschützt durch einen Zaun, und niemand betritt sie ohne mein Einverständnis. Der Einzige, der mich da im Moment nervt, ist der Feldhase, der sämtliche kleinen Gehölze annagt. Aber: Er hat eben auch alles Recht dazu, denn wir Menschen haben ihm ja seine Flächen genommen.
Das Fazit nach eineinhalb Jahren Wiesenpflege
Was ist das Fazit aus diesem Wiesenpflege-Versuch? – Ich denke schon, dass Naturschutz und begleitende Aufklärung mitten in der Stadt möglich sind. Allerdings scheint es mir erfolgreicher zu sein, wenn nicht nur die Stadt einerseits oder Einzelne andererseits sich engagieren, sondern mehrere Akteure zusammenwirken und damit die Identifikation der AnwohnerInnen größer wird. Als schönes Beispiel sehe ich da die Schmetterlingswiese im Donaupark in Wien an.
Natürlich hätte es auch geholfen, wenn ich nicht alleine geschuftet hätte. So war ja mein ursprünglicher Plan in 2019, mit einem Sensenkurs vor Ort andere fürs Sensen zu begeistern und so eine schlagkräftige Truppe für die Wiese zu gründen. Daraus ist ja leider nichts geworden. Dass ich nun alles alleine gesenst habe, hatte außerdem Folgen, dir mir vorher nicht bewusst waren: Ich war sehr häufig auf der Wiese unterwegs, weil ich immer nur Abschnitte mähen konnte. Zu häufig, wie ich finde. Ich bin mir sicher, dass diese dauernden Störungen dem Wiesenleben nicht gut getan haben.
Letztlich müsste ein solches Projekt auch in ein Gesamtkonzept eingebunden sein, z. B. in das Biodiversitätskonzept der Stadt. Gerade eine Freiluftschneise wie diese ist eigentlich prädestiniert dafür, weil die Fläche dauerhaft gesichert ist. Ein Infoschild der Stadt könnte vielleicht auch für mehr Respekt und Aufmerksamkeit sorgen als meine Flyer. Wobei... auf der Ochsenheide sieht man ja, dass selbst das bei den Hardlinern unter den Hundehaltern nicht fruchtet. Persönlich bin ich der Meinung, dass solche sensiblen Flächen einfach gesperrt werden sollten. Das ist genauso wenig schlimm wie mal ein paar Monate lang eine Maske zu tragen, und beides hilft.
Wie geht es nun weiter? – Ich werde die untere Wiese noch zu Ende sensen und dann nach und nach meine Pflanzen aus der Fläche entnehmen. Sie sollen in Theesen eine neue Heimat finden und dort den Insekten dienen. Auch die Eidechsengrube muss ich wohl Stück für Stück wieder zurückbauen, denn ich gehe davon aus, dass ab Frühjahr wieder der Mulchmäher fährt, und dann dürfen keine Hindernisse auf der Wiese sein.
Im Herbst habe ich noch einmal mehrere Flockenblumen eingesetzt, außerdem erneut Schafgarbe und Wiesenkerbel gesät. Sollte die Stadt wieder mulchen, sieht es für deren Entwicklung natürlich nicht so gut aus. Vielleicht kommt es aber auch anders, denn in der Lokalzeitung war zu lesen, dass der Umweltbetrieb nun einen Balkenmäher hat, der eindeutig die bessere Wahl für den Naturschutz ist, da er weniger Insekten tötet.
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