Tauben und Elstern not welcome? – Gedanken zur Willkommenskultur auf der Wiese
von m. swiergot (Kommentare: 0)
Als ich vor kurzem wieder einmal mein Fernglas dabei hatte, um die Tiere auf der Wiese zu beobachten, fiel mir ein Thema geradezu vor die Füße: meine eigene Willkommenskultur. Denn es ist nicht so, dass ich mich über alle Tiere gleichermaßen freue, die auf der Wiese erscheinen. Es gibt da eindeutige Favoriten, und Tauben und Elstern zum Beispiel gehören nicht dazu.
Auch der Maulwurf hat bei mir eine Geduldsgrenze erreicht, denn er hat angefangen, in der Eidechsengrube herumzugraben. Hier ist die Lage klar: Er zerstört gerade eine Idee, die ich unter großen Mühen über viele Tage hinweg umgesetzt habe. Und er zerstört die Wohnhöhle, die für andere Tiere gedacht war. Das ist frustrierend und ruft meinen Gerechtigkeitssinn auf den Plan, auch wenn er nur das tut, was Maulwürfe gemeinhin tun.
Aber die Tauben? Die Elstern? – Nun, die Tauben sind ziemlich schnell zur Stelle, wenn ich irgendwo Futter auslege, das für die kleinen Singvögel gedacht war. Und sie kacken einfach alles voll. Da sie gerne stundenlang auf dem Walnussbaum sitzen, sieht es auf der Fläche darunter entsprechend aus. Die Elstern wiederum picken nicht nur am Tellerchen, sondern räumen mit ihrer Clique gleich den ganzen Esstisch ab. Sie nehmen den sehr viel kleineren Rotkehlchen oder Meisen also nicht nur das Futter weg, sondern räubern später auch noch deren Nester aus.
Viele Menschen sind auf die beiden Arten deshalb nicht gut zu sprechen, mit meinen Aversionen bin ich wahrlich nicht alleine. Aber ist meine Moral wirklich angemessen? Ist mein menschliches Empfinden für Gerechtigkeit und Solidarität passend für Tiere, die einfach nur überleben wollen? Und die ja ebenfalls wieder Beute von anderen werden, etwa von Rabenkrähe, Uhu, Sperber oder Marder?
Der Mensch vernichtet Lebensräume
Tauben und Elstern jedenfalls waren schon vor mir da. Ich habe weder sie noch andere Tiere gefragt, ob es in Ordnung ist, dass ich hier alles umgestalte und ständig in ihrem Revier präsent bin. Auch andere Menschen haben die Tiere nie gefragt, ob es in Ordnung ist, dass rund um die Wiese immer mehr Wohnhäuser und Straßen entstehen, dass Obstbäume und heimische Sträucher verschwinden, um Koniferen und Rhododendron zu weichen.
Niemand sonst als der Mensch ist dafür verantwortlich, dass die Tiere kaum noch Lebensräume und Nahrungsgrundlagen haben. Weil die offene Landschaft ausgeräumt ist, sind sie in die Städte geflüchtet. Manche wühlen in menschlichen Abfällen, weil sie sonst verhungern würden. Dort, in den Ballungsräumen, drängeln sich dann Füchse neben Mardern, Waschbären neben Streunerkatzen neben Hauskatzen, Tauben neben Spechten neben Bussarden.
Wie immer bei solchen Prozessen haben die Opportunisten die Nase vorn, Tiere, die sich schnell an neue Gegebenheiten anpassen oder ihr Nahrungsspektrum erweitern können. Die Elster gehört dazu, sie frisst in der Not nahezu alles, auch wenn es ihr nicht immer gut tut. Auch die Tauben picken auf, was der Mensch fallengelassen hat, obwohl sie für ihre Gesundheit eigentlich Sämereien und Körner brauchen.
Sympathische Zeitgenossen
Die Tauben auf dem Walnussbaum gehören mit zur verhasstesten Sorte: Es sind Ringeltauben, sie zählen zu den heimischen Wildtauben und werden seit jeher bejagt, weil sie in Schwarmstärke Felder und Obstgärten leerfuttern können. Im Gegensatz zur Straßentaube, die eine verwilderte Zuchttaube ist, sind Ringeltauben freiwillige Kulturfolger. Sie brüten in Bäumen, teilen sich das Brutgeschäft und sind beeindruckende Flugkünstler.
Wie die Tauben leben auch Elstern in lebenslangen Partnerschaften und bleiben ihrem einmal bezogenen Revier treu. Die typischen Elstertrupps, die durch unsere Gärten vagabundieren, sind Nichtbrüter-Gemeinschaften, die aus Sicherheitsgründen gemeinsam übernachten und auf Futtersuche gehen. Es sind sprichwörtlich kluge Tiere, die sich im Spiegel erkennen und heimliche Nahrungsdepots recht sicher wiederfinden.
Ohne Vorurteile betrachtet, werden Tauben und Elstern plötzlich zu hübschen und sympathischen Tieren. Und dass die einen besonders viele Krankheiten übertragen und die anderen die Kleinvögelbestände dezimieren, konnte wissenschaftlich nicht bestätigt werden.
Zeit also für einen Perspektivenwechsel. Welche Anmaßung auch von mir, über andere Arten zu richten, wo ich selbst doch zur hässlichsten Art gehöre. Der Mensch ist nunmal die Spezies, die sich schneller vermehrt, mehr Lärm und Dreck produziert sowie den Planeten nachhaltiger schädigt als alle anderen Tiere zusammen.
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