Viele Menschen flüchten vor Corona gerade nach draußen in die Natur – doch die Brutsaison hat begonnen

von m. swiergot (Kommentare: 0)

Taubnesseln und Scharbockskraut
Taubnesseln und Scharbockskraut färben gerade die Wiesen bunt und sind erste willkommene Frühblüher für Wildbienen.

Leere Straßen, saubere Luft, Vogelgezwitscher und Sonnenschein. Manche munkeln, die Natur habe sich via Corona-Virus eine Auszeit von uns genommen. Paradoxerweise finden viele Menschen gerade jetzt zurück zur Natur. Webseiten mit Angeboten zur Naturbeobachtung erleben einen regelrechten Boom. Parks, Wiesen und Wälder sind so gut besucht wie nie. Naturschützer freuen sich über das Interesse, mahnen aber auch, dass die Brutsaison begonnen hat.

»Wir sehen mit Sorge, wieviele Menschen hier unterwegs sind«, beschreibt Claudia Quirini-Jürgens die aktuelle Lage an der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld. Die Station liegt mitten im Naturschutzgebiet Rieselfelder Windel, das eine einzigartige Flora und Fauna aufweist. Jeden Tag sammeln sich dort gerade Schwärme von Staren, um gemeinsam im Schilf zu übernachten.

Quirini-Jürgens: »Wir alle warten auf die Stare, klar, das ist ein wunderbares Schauspiel. Aber manche Leute gehen einfach querfeldein, auf die Futterwiesen, über Zäune oder mitten ins Schilf, auch mit Hunden.« Für die Naturschützer ist das ein Fiasko: Die Vögel – darunter viele seltene und bedrohte Arten – kommen nicht zur Ruhe, geschützte Pflanzen werden zertreten, Bodenbrüter verlassen in Panik ihr Gelege, woraufhin die Eier binnen kurzer Zeit auskühlen.

Die Biologin appelliert deshalb dringend an alle Ausflügler, auf den Wegen zu bleiben. Ihr Kollege Dirk Esplör von der Biostation Minden-Lübbecke ergänzt: »Und die Hunde müssen unbedingt an die Leine.« Alle Störungen seien im Moment besonders kritisch, die Brutzeit sei eine »sehr sensible Zeit«.

Da Minden-Lübbecke ländlicher liegt, ist es dort sehr viel ruhiger als in den Bielefelder Schutzgebieten. Auch die Biostation Ravensberg im Kreis Herford vermeldet keinen Besucherandrang. Hier registriert der stellvertrende Leiter Thomas Wehrenberg allerdings »erste Anzeichen von Grünablagerungen«. Und das werde wohl eher noch zunehmen, da die Deponien geschlossen sind, befürchtet der Biologe.

»Naturraum Wald kann die Menschen entlasten«

Eine ganz andere Sorge hat Erhard Oehle, Leiter des Forstbezirks Bielefeld. Ihm sei aufgefallen, dass die Verhaltensregeln zum Virus im Wald offenbar schnell vergessen sind: »Oft sind mehr als zwei Leute gemeinsam unterwegs. Oder Jogger rennen hautnah an anderen vorbei, obwohl sie schwer ausatmen. Dasselbe gilt für Mountainbiker.«

Ansonsten hat er durch das Mehr an Besuchern aber keine Beeinträchtigungen festgestellt: »Alles ist im grünen Bereich.« Der Revierförster hat volles Verständnis dafür, wenn Menschen aus ihren engen Wohnungen jetzt in den Wald flüchten: »Dieser schöne Naturraum kann die Leute in der jetzigen Situation gut entlasten.«

Eine Bitte hat er trotzdem: Gerade beginne die Blühphase der Waldkräuter, »und das wäre verheerend, wenn da gepflückt wird«. Er hat wenig Verständnis dafür, wenn Leute Zweige oder Blumen mit nach Hause nehmen: »Ich sage denen immer: Blühende Pflanzen fühlen sich doch im Wald viel, viel wohler als in der Vase.«

Mit Bärlauch ist der Förster zwar nicht ganz so streng wie mit Stauden oder Orchideen, doch auch da genüge »eine Handvoll« für den Eigengebrauch. Noch besser sei es, das knoblauchartige Kraut auf dem Markt zu kaufen, denn dort sei garantiert keine Verwechslung mit dem giftigen Maiglöckchen möglich.

Oehle wendet sich außerdem explizit an die Mountainbiker: Auch wenn im Moment die Holzrücker in den Borkenkäfer-Gebieten unterwegs sind und viel freie Flächen entstehen, sei das kein Freibrief für Downhill-Fahrten. Für den Förster gilt: »Den Wald sollte man immer in Ruhe und Stille als Gast betreten.«

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