• Der Wandel der Wiese
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Die Wiese an der Werther Straße
Die Wiese an der Werther Straße.

Auf dieser Seite möchte ich die Entwicklung der Wiese dokumentieren ab dem Zeitpunkt, an dem ich "eingegriffen" habe. Denn nichts anderes als weitere Eingriffe sind Renaturierungsmaßnahmen, nachdem Menschen die Fläche früher schon einmal verunstaltet gestaltet haben – das sollten wir nicht vergessen. Am "natürlichsten" wäre es wohl, die Natur einfach machen zu lassen, denn sie kommt ganz gut ohne uns zurecht. Doch in diesem Fall geht es ja um eine Wiese, und die ist erst durch Menschenhand entstanden, sonst würde die Fläche verbuschen.

Angefangen hat das schon sehr früh, dass der Mensch Wälder rodete, um Grünfutter für seine Tiere zu gewinnen. Schon etwa 4000 vor Christus gab es erste Weideflächen in den Alpen. Die Nutzung nahm irgendwann so starke Ausmaße an, dass Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts kaum mehr geschlossene Waldflächen aufwies. "Planet Wissen" beschreibt die Geschichte der Wiese und des Waldes sehr anschaulich, interessant sind dort auch immer die weiterführenden Links auf der rechten Seite.

Die Bielefelder Wiese wurde früher landwirtschaftlich genutzt, unter anderem als Streuobstwiese, vor etwa 35 Jahren übernahm sie die Stadt. Zusammen mit dem Kleingartengebiet oberhalb und dem Stadtpark unterhalb bildet sie seitdem eine wichtige Freiluftschneise.

Bis zum Frühjahr 2019 wurde sie in der Regel zweimal im Jahr mit dem Schlegelmäher gemäht. Der Mulch wird mit diesem Gerät sehr fein – optimal für Parkwiesen, aber fatal für die Natur- und Landschaftspflege: Der Boden reichert sich dadurch immer weiter mit Stickstoff an, was eine sehr artenarme Pflanzenwelt zu Folge hat. Für die Tiere sind die Mähtage wie ein großes Massaker, da es für sie kaum ein Entrinnen vor dem Schneidwerk gibt.

Die Mahd mit der Sense wird deshalb vor allem Ruhe in die Fläche bringen und – durch das Abräumen des Heus – den Boden sukzessive abmagern. Mit etwas Glück wandern wieder Tiere ein und die Bestände erholen sich. Dann könnte sich – von den kleinsten Tieren angefangen – auch die Nahrungspyramide wieder aufbauen.

05/2018
  • Im Herbst 2017 bin ich auf diese schöne Wiese mitten in der Stadt aufmerksam geworden. An manchen Tagen liegt sie so malerisch und friedvoll da, dass man sich in eine andere Zeit versetzt fühlt. Da ich diese andere Zeit noch erlebt habe – die war mit mehr Insekten – setze ich ein paar Blumen ein.
  • Ein Jahr später weiß ich, dass manche Arten in einer Glatthaferwiese nicht heimisch sind und entferne die standortuntypischen Pflanzen wieder. Magerite, Wiesenflockenblume und Wiesenknopf dürfen bleiben.
10/2018
  • Auf der unteren Wiese stürzt bei einem Sturm eine große Buche um. Sie wird im Frühjahr 2019 vom Umweltbetrieb beseitigt. Schade, dass ich noch nicht Patin war, man hätte einen Teil des Altholzes verwittern lassen können.
04/2019
  • Nach meinen Beobachtungen im letzten Jahr fühle ich mich für die Wiese ein bisschen verantwortlich. Es summt und brummt hier schon wieder, Mähen wäre jetzt fatal. Mein Vorschlag an den Bielefelder Umweltbetrieb, die Wiese künftig mit der Sense zu pflegen, findet positive Resonanz. Es gibt einen Vor-Ort-Termin und wir besprechen das Wichtigste. Auch der NABU ist dabei. Ich bekomme eine Patenurkunde und unterschreibe eine Pflegevereinbarung für die Fläche.
05/2019
  • Ende Mai steht das Gras so hoch (1,70 Meter), dass der UWB doch noch einmal mit dem Mulcher fährt, denn noch habe ich keine Sense. Wir vereinbaren, dass ich wenigstens das Gras zusammenreche – ein erster Schritt zur Extensivierung.
06/2019
  • Mehrere Wochen brauche ich, um den feinen Mulch aus dem nachwachsenden Gras herauszurechen. Eine große und eine kleine Mulde werden zur Biogasanlage gefahren.
  • An der Wiese hänge ich zwei laminierte Infoschilder auf, um Anwohner und Passantinnen zu informieren. Da der Hundekot auf der oberen Wiese ein großes Problem ist, kläre ich über die Gefahren auf und stelle auch Kotbeutel zur Verfügung.
07/2019
  • Ich besuche einen Sensenkurs und kaufe eine Sense. Es gibt schon wieder Mähbedarf, denn die Brennesseln auf der unteren Wiese sind kräftig nachgewachsen. Einen Teil des Brennesselfeldes lasse ich für die Schmetterlingsraupen stehen.
  • Das Crowdfunding auf Startnext beginnt.
08/2019
  • Mitte August stelle ich zwei Ansitzstangen für Greifvögel auf, weil die Wühlmäuse sehr rege sind.
  • Wider besseres Wissen pflanze ich zwei kleine Weißdorne. Am Tag danach gibt es zwar starken Regen, doch dann beginnt eine neue Hitzeperiode und die Bäume leiden.
  • Ich lichte die wilden Brombeeren am Hang zwischen den beiden Wiesenteilen. Die Stadt rodet und häckselt dort normalerweise.

09/2019

  • Unter den Brombeeren kommen einige Überraschungen zum Vorschein: kleine Weißdorne, Liguster, eine Weide, Maibeere. Durch das Roden tragen sie seit Jahren keine Blüten und folglich keine Früchte mehr.
  • Um die trockenen Brombeerranken zu verwerten, lege ich einen Steinhaufen für Eidechsen an und schütze ihn mit den dornigen Zweigen.
  • Ich beginne mit der Herbstmahd. Weil es nachts schon empfindlich kühl ist, habe ich einen Heureiter zum Trocknen gebaut.
  • Ende September: Das Crowdfunding ist erfolgreich und sogar mit 15 Euro überfinanziert! Ich freue mich sehr.

10/2019

  • Nach einer langen Regenzeit muss ich Ende Oktober das Heu entsorgen, es ist an einigen Stellen feucht geworden.
  • Als der Regen aufhört, beginne ich weitere Flächen zu sensen. Mit den Unmengen an Gras decke ich erst einmal unerwünschten Aufwuchs ab (Brombeeren, Brennesseln, Gundermann).
  • Um den Hang zwischen den beiden Wiesenteilen zu befestigen, bringe ich kleine Bodendecker und Efeu ein.

11/2019

  • Im Internet erwische ich noch ein paar Blumenzwiebeln und verteile sie am Rand der Wiese, damit sich Frühblüher ansiedeln können: Schneeglöckchen und Winterlinge.
  • Für die Herbstarbeiten kaufe ich einen Ampferstecher und einen großen Laubrechen. Beide erleichtern die Arbeit ungemein.
  • Ich entscheide mich für die Winterfütterung und besorge Vogelfutter und -häuschen. Außerdem habe ich endlich die passenden Kleinstrauch-Rosen (Meidiland-Sorten) gefunden, um den Hang weiter zu befestigen.

12/2019

  • Ich baue den Steinhaufen für Eidechsen noch einmal neu, denn die erste Grube war nicht tief genug und eignet sich somit nicht als frostfreier Überwinterungsplatz.
  • In den Regenpausen reche ich endlich das Laub der großen Stieleiche zusammen, aber es gelingt nicht wirklich gut, weil das Gras zu hoch und zu nass ist.

01/2020

  • Da es auch im Januar weiterregnet und kaum Frost hat, pflanze ich unten eine Kornelkirsche und oben eine kleine Hänge-Salweide als Frühblüher.
  • Um den Vögeln mehr Versteckmöglichkeiten zu bieten, setze ich am Zaun zur Werther Straße Weißdorn-Stecklinge in den Boden – auf dass eine Hecke wachse.

02/2020

  • Nach wie vor ergänze ich Material für die Eidechsengrube, versuche die Laubmassen einzufangen und starte ein weiteres – kleineres – Crowdfunding.
  • Auf der oberen Wiese pflanze ich zwei kleine Apfelrosen, außerdem bringe ich Saatgut von typischen Wiesenarten ein, für die ich keine Jungpflanzen zur Verfügung habe (Wiesen-Glockenblume, Wiesen-Pippau, Wiesen-Bocksbart, Wiesen-Kerbel, Schafgarbe, Wiesen-Storchschnabel).
  • Ende Februar leuchten die Winterlinge, die ich im Herbst gesetzt habe.

03/2020

  • Im März kann ich endlich einen Teil der riesigen Laubhaufen entsorgen, die auf der Wiese angefallen sind.
  • Das zweite Crowdfunding ist erfolgreich, leidet aber unter der Corona-Krise. Bei der Saatgut-Börse in der VHS kann ich Spenden durch Saatgut-Abgabe generieren.
  • Alle Pflanzen sind gut angewachsen. Weißdorn, Kornelkirsche, Hänge-Salweide und Wildrosen bereiten sich auf den Frühling vor.

04/2020

  • Nach dem regenreichen Winter steht das Gras auf der Wiese kniehoch. Ich eröffne die Mähsaison, um den Wildblumen etwas Licht zu verschaffen und mir selbst mehr Zeit, um die Fläche zu bewältigen.
  • Auf der Gundermann-Fläche, die eine umgestürzte Buche hinterlassen hat, säe ich verschiedene Gräser ein, darunter Glatthafer, Wiesen-Schwingel und Wiesen-Rispe.

05/2020

  • Die Wiese steht im sogenannten Hahnenfuß-Aspekt, es folgen Wiesenmargeriten, Witwenblume und Wiesensalbei.
  • Drei Tage Regen lassen die Wiese bis Ende Mai wieder auf 1,70 Meter anwachsen. Ich mähe trotzdem zurückhaltend, denn das Heu findet nur Klein-Abnehmer. An der Straße hänge ich »Heu to go«-Boxen an den Zaun.

06/2020

  • Weitere Regentage lassen auch Brennesseln, Ackerwinde und Brombeere sprießen. Ich renne dem Beikraut hinterher und schaffe es kaum, das gesenste Heu immer trocken zu halten.
  • Heuschrecken jeder Altersstufe erscheinen, an Schmetterlingen ist leider nur das Große Ochsenauge mehrfach vertreten.
  • Da auf der oberen Wiese im Juni erstmalig nicht gemäht wird, stehen Vogelwicke und Hornklee in voller Blüte.

07/2020

  • Die Arbeiten von Juni wiederholen sich. Sensen, Sensen, Sensen und – Beikraut begrenzen.
  • Neben den vielen Heuschrecken tauchen unzählige Große Ochsenaugen auf, außerdem gibt es Turmfalken-Nachwuchs, der an einer Fassade in der Nachbarschaft ausgebrütet wurde.

09/2020

  • Ich sense mittlerweile die obere Wiese, leider wird das Heu von den Interessentinnen nicht abgeholt und ein Teil wird nass.
  • Nachbarn begraben ihre Katze auf der Wiese, sie selbst haben nur einen Schottergarten. Ich bin sprachlos, dass die Stadt das durchgehen lässt.

11/2020

  • Ich bin immer noch am Sensen, da mehrere Regenperioden die Arbeit auf der Wiese verzögert haben.
  • Die Stadt holt das Altholz aus der Eiche und hinterlässt fette Reifenspuren, meine Randbepflanzung am Weg ist hinüber.

12/2020

  • Ich trage mich mit dem Gedanken, die Wiese aufzugeben. Verschiedene Gründe spielen in die Entscheidung mit hinein.

01/2021

  • Schweren Herzens gebe ich die Wiese nach langen Überlegungen an die Stadt zurück. Ein anderes Projekt, das ebenfalls dem Artenschutz in der Stadt dient, bindet meine ganzen Kräfte.
  • Stück für Stück nehme ich die Pflanzen aus der Wiese und baue die Eidechsengrube zurück. Und auch die Wiese selbst muss noch zuende gemäht werden.

07/2021

  • Zufällig komme ich an der Wiese vorbei und sehe, dass wieder mit dem Schlepper gemäht wird. Der städtische Mitarbeiter erklärt mir, dass das auf diesem Gelände zwar weiterhin notwendig sei, dass künftig aber immer das Gras abgeholt werde. Das würde also theoretisch eine Abmagerung bedeuten, auch wenn es für die Insekten weiterhin sehr tödlich ist.

09/2021

  • Da ich in meiner Wildblumen-Gärtnerei sehr viel Saatgut ernten konnte, überlege ich, einiges davon auf der Wiese auszubringen. Allerdings kann ich von meinen üppigen Aussaaten in 2020 nur eine einzige Flockenblume wiederfinden, das Brennesselfeld dagegen ist enorm gewachsen. Ich vermute, der Schlepper »verschleppt« weiterhin Ackerwinde und Brennessel quer übers Gelände.
Ein Großes Ochsenauge auf einer Ackerkratzdistel.
Ein Großes Ochsenauge auf einer Ackerkratzdistel.

Hier eine vorläufige Artenliste der Wiese, aufgrund fehlender Kenntnisse aber unvollständig und ohne korrekte Taxa. Vor allem bei den Gräsern kenne ich mich überhaupt nicht aus. Wenn jemand hier ehrenamtlich kartieren möchte, ist sie/er herzlich willkommen, es gibt dann auch Kaffee und Kuchen in der FH-Cafeteria nebenan. Die Wiese ist auch beim Mitmachportal »Naturgucker« eingetragen: naturgucker.de. Hier frage ich um Rat, wenn ich eine Art nicht kenne.

Pflanzen:

Ackerkratzdistel, Ackerschachtelhalm, Ackerwitwenblume (Pflanzung), Blaue Heckenkirsche, Brennessel, Brombeere, Echte Schlüsselblume, Echter Alant, Gewöhnlicher Hornklee, Gewöhnliches Knäuelgras, Glatthafer, Glimmerschüppling, Große Klette, Günsel, Gundermann, Haselnuss, Liguster, Löwenzahn, Ohrweide (?), Pfennigkraut, Persischer Ehrenpreis, Rotklee, Rundblättrige Glockenblume (Pflanzung), Scharbockskraut, Scharfer Hahnenfuß, Spitzwegerich, Stumpfblättriger Ampfer, Walnuss, Weißdorn, Weißklee, Wiesenflockenblume (Pflanzung), Wiesenkerbel, Wiesenmargerite (Pflanzung), Wiesensalbei (Pflanzung), Wiesenschaumkraut, Wolfsmilch, Zaunwicke, Zaunwinde.

Tiere:

Admiral, Amsel, Aurorafalter, Baumläufer, Bläuling, Blaumeise, Distelfalter, Eichelhäher, Eichhörnchen, Feldhase, Feldmaus, Fledermaus, Gimpel, Grasfrosch, Grashüpfer, Großes Ochsenauge, Grünspecht, Haubenmeise, Heupferd, Hornisse, Katze, Kleiber, Kohlmeise, Laufkäfer, Libelle, Marienkäfer, Mäusebussard, Maulwurf, Mittelspecht, Rotkehlchen, Schwanzmeise, Sperber, Spinne, Spitzmäuse, Star, Weinbergschnecke, Weißling, Wespen, Wildbienen, Ringeltaube, Zaunkönig, Zitronenfalter.